08220 Konstruktives Beschwerdemanagement in modernen Unternehmen

Beschwerden lassen sich nicht vermeiden. Der professionelle Umgang mit ihnen und Beschwerdeführern ist heutzutage das Aushängeschild eines Unternehmens. Der Artikel beschreibt den Aufbau des Beschwerdemanagements.
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1 Unbeliebt und notwendig: Beschwerden

Es ist so schön, von Kunden ein positives Wort zu hören. Neudeutsch sprechen wir gerne vom Feedback. Feedback ist jedoch nichts anderes als Kritik; ein Wort, das die wenigsten mögen, weil es negativ behaftet ist. Ohne Kritik sind jedoch weder Vorwärtskommen noch Verbesserung möglich.
Beschwerde ist Feedback
Ebenso unbeliebt ist das Wort „Beschwerde” oder „Reklamation”. Eine Beschwerde kann einerseits sehr sachlich fundiert und formuliert, andererseits der sehr individuelle Ausdruck eines Empfindens sein. Beide Informationen sind sehr wichtig. Damit Sie mit ihnen zielgerichtet umgehen können, brauchen Sie ein effektives Beschwerdemanagement, das in Ihrem Unternehmen auch gelebt wird.

2 Interne Voraussetzungen für ein Beschwerdemanagement schaffen

Der Übergang von einer empfundenen „Nörgelei” zu einem handfesten, berechtigten Hinweis auf einen Missstand ist fließend. Eine Beschwerde ist per Definition der ISO 10002:
Definition Beschwerde
„Ausdruck der Unzufriedenheit, die gegenüber einer Organisation in Bezug auf deren Produkte oder den Prozess zur Bearbeitung von Reklamationen selbst zum Ausdruck gebracht wird, wenn eine Reaktion beziehungsweise Klärung explizit oder implizit erwartet wird” [1].
Um es mit anderen Worten zu sagen: Jede empfundene Unzufriedenheit gegenüber unserer Leistung, unseren Produkten und unseren Abläufen, die eine Person zum Ausdruck bringt, ist eine Kritik, die geklärt werden muss. Die Person erwartet von uns eine Reaktion. Die Äußerungen sind ernst zu nehmen, auch wenn sie unsachlich oder nicht sachbezogen geäußert werden.

2.1 Wer beschwert sich wie?

Im Unternehmen besteht zunächst einmal Klärungsbedarf, was eine Beschwerde ist und wer sie äußern kann. Der Begriff „Kunde” oder „Stakeholder” muss ggf. differenziert und allen Kollegen nahegebracht werden. Alle identifizierten Personengruppen äußern sich auf ihre Weise an unterschiedlicher Stelle. Alle Führungskräfte und Teammitglieder sollten dafür entsprechend sensibilisiert werden.
Beschwerden erkennen
Jede Person äußert Beschwerden auf andere Art und Weise. Die einen nehmen den direkten Weg und sprechen ihr Anliegen ohne Umwege an. Diese Beschwerden sind leicht zu erkennen. Schwierig wird es bei zurückhaltenden Personen, die Fehler nicht gerne ansprechen und daher eine verhaltene Ausdrucksform wählen. Tabelle 1 liefert eine Reihe von Beispielen. Es ist ratsam, im eigenen Unternehmen gemeinsam eine Liste zu erstellen, die auf Erfahrungen basiert. Diese Liste ist ein Impulsdokument und nicht zwingend ein gelenktes Dokument. Sie ist wertvoll, wenn sie in regelmäßigen Besprechungen von Fallbeispielen reflektiert wird. Weniger wertvoll ist sie, wenn sie in einer Ablage verschwindet oder nur zu Auditzwecken genutzt wird.
Tabelle 1: Merkmale einer Beschwerde
Kundenfeedback
Beispiele
Kundenäußerungen und Signale
Kunde äußert Wünsche.
„Ist es nicht möglich, ...”
Der Kunde wünscht eine Veränderung, weil er unzufrieden ist.
Kunde verweist auf andere Unternehmen.
„Beim Unternehmen ... machen die das ...”
Ob der Verweis der Wahrheit entspricht, ist unwichtig. Der Kunde wählt den indirekten Weg seinen Wunsch und somit seine Unzufriedenheit zu äußern.
Kunde berichtet vom Hörensagen.
„Ich habe gehört, ...”
Der Kunde wählt den indirekten Weg seinen Wunsch und seine Unzufriedenheit zu äußern.
Körpersprache und Mimik
als Reaktion auf Fragen
Man sagt: Der Körper lügt nicht. Beachten Sie die körpersprachlichen Signale, denn selbst wenn Sie die Frage „Sind Sie zufrieden?” stellen, erhalten Sie nicht immer ein „Nein” (auch wenn es ehrlich wäre).
Kunde benutzt verallgemeinernde Formulierungen.
„man”
Das Wort „man” benutzen viele Menschen anstelle von „ich”. Verallgemeinernde Formulierungen werden jedoch eher überhört.

2.2 Kritik an der persönlichen Leistung

In der Dienstleistung hat die Beschwerde eine bittere Note für das Personal. Es ist notwendig, dass der Kunde beim Erbringen der Dienstleistung mitwirkt, indem er z. B. Informationen gibt. Wird diese Mitwirkung verweigert oder ist sie nur unter enormer Motivation möglich, geht dies zulasten der empfundenen Dienstleistungsqualität. Für das Personal wirkt es zum Teil wie blanker Hohn, wenn ausgerechnet dann noch die Dienstleistung kritisiert wird.
Berechtigt oder unberechtigt
Beschwerde ist kein Angriff gegen die Person. Es ist sehr wichtig, dass Menschen ein Distanzverhältnis zur Beschwerde aufbauen können und dürfen. Der Anlass einer Beschwerde steht nicht immer in direktem Bezug zur reklamierten Dienstleistung.
Anlass der beschwerdeführenden Partei kann sein:
persönliche Stresssituation aufgrund von Zeitdruck,
Anhäufung von Unstimmigkeiten,
fehlende Kommunikation oder Information,
Nichtreaktion von Zuständigen,
Fehler.
Keine Erziehungsversuche starten
Klarheit in der Ausdrucksweise erleichtert Abläufe – und kostet weniger Zeit. Auch wenn Personen eher den indirekten Weg wählen, sich zu äußern (s. Tab. 1), ist das kein Grund, Umerziehungsversuche zu starten. Das Personal sollte befähigt werden, mit dem Kommunikationsstil der Kunden umzugehen.
Kommunikation als Kriterium
An die Kommunikation eines modernen Unternehmens werden hohe Ansprüche gestellt. Der Umgang miteinander ist ein Aushängeschild, erst recht dann, wenn die Zeit bekanntermaßen knapp ist.

2.3 Höflichkeit als Außenwirkung

Beschwerden führen schnell zu emotionalen Situationen, die aus Sicht aller Beteiligten nachvollziehbar sind. Empathie ist sicherlich angemessen, jedoch ist hohe Emotionalität nachteilig für die Lösungsfindung.
Beißhölzer für Kollegen
Alle Mitarbeitenden sind diesen emotionalen Situationen ausgesetzt. Intern ist eine Atmosphäre hilfreich, die die Kollegen und Kolleginnen emotional entlastet. Es ist nachvollziehbar, dass sie ihre Wut und den Ärger über die Beschwerde loswerden möchten.
Beispiel: Umgang mit Beschwerden in einem Unternehmen, das natürliche Kosmetikprodukte herstellt und vertreibt
Ein mittelständisches Unternehmen mit dem Fokus auf natürliche Kosmetikprodukte erhält vermehrt Beschwerden bezüglich ihrer sehr beliebten Tagescreme. Das Team ist sehr motiviert und von den Produkten und der nachhaltigen Herstellungsweise überzeugt.
Lisa beantwortet Telefonate und E-Mails am Servicedesk und erfährt Reaktionen der Kundinnen und Kunden sehr direkt und ungefiltert.
Zuerst führt sie ein Telefonat mit einer sehr aufgewühlten Kundin, die über verstärkten Juckreiz klagt, nachdem sie die Tagescreme verwendet hat. Die Kundin äußert ihren Unmut laut und emotional, ist enttäuscht und verärgert.
Lisa notiert alle Details, die sie von der Kundin erfahren kann, entschuldigt sich und versichert, dass die Angelegenheit ernst genommen wird. Sie agiert professionell, spürt jedoch, wie die Enttäuschung und der Ärger der Kundin ihr aufs Gemüt schlagen.
Kurz darauf öffnet sie die E-Mail eines Kunden, der Fotos des Hautausschlags seiner Tochter mitschickt, die ebenfalls die Tagescreme verwendet hat. Der Ton des Vaters ist anklagend.
Bei aller Loyalität zum Unternehmen bemerkt Lisa, dass es eine Charge Tagescreme gibt, die unberechtigt freigegeben wurde. Sie wendet sich an ihre Teamleiter Sabine und Florian und schildert die Vorgänge.
Die Teamleitung nimmt die Informationen von Lisa entgegen. Auch für sie steht fest, dass es sich um eine fehlerhafte Charge handelt. Neben den Fakten, die sie besprechen, bemerken Sabine und Florian auch, wie sehr die Interaktion mit den Menschen Lisa belastet.
Sie führen daher ein offenes Gespräch mit ihr, wertschätzen ihren professionellen Umgang mit den Einzelfällen und ihre schnelle Weitergabe wichtiger Informationen.
Es ist davon auszugehen, dass weitere Rückmeldungen im Team des Servicedesks eingetroffen sind und sich Lisas Kolleginnen und Kollegen ebenfalls berührt fühlen.
Während sich Florian intern mit der Produktion und der Qualitätssicherung in Verbindung setzt, um über die Rückmeldungen zu berichten, wendet sich Sabine an das Servicedesk-Team. Sie kommuniziert, welche Informationen ihr bekannt sind, dass mit weiteren Beschwerden zu rechnen ist und bestärkt das Team darin, professionell vorzugehen.
Am Ende des Tages und nach einigen emotionalen Erlebnissen bedanken sich Sabine und Florian bei den Mitarbeitenden für ihre Professionalität und geben weitere Informationen zum aktuellen Stand.
Das beschriebene Beispiel lässt sich auf andere Unternehmen übertragen.

3 Empfehlungen der ISO 10002

Die Norm DIN ISO 10002 „Qualitätsmanagement – Kundenzufriedenheit – Leitfaden für die Behandlung von Reklamationen in Organisationen” spricht Empfehlungen aus, wie ein Unternehmen (egal welcher Branche) mit reklamierenden Kunden umgeht und gleichzeitig den eigenen Verbesserungsprozess anstößt.
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