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07TUR Turtle-Diagramm

Das Turtle-Diagramm dient der Darstellung und Analyse eines Prozesses. Zur Erstellung des Turtle-Diagramms werden Input sowie Output des Prozesses erhoben. Angaben zu den am Prozess beteiligten Ressourcen, seinen Kompetenzträgern und Dokumenten sowie zu Prozesskennzahlen sind weitere wesentliche Ergebnisse. Diese insgesamt sechs Untersuchungsbereiche lassen sich so anordnen, dass bei einer Visualisierung der abstrahierte Umriss einer Schildkröte (engl.: Turtle) sichtbar wird – daher auch der Name.
Eingesetzt wird das Turtle-Diagramm unter anderem bei der Erhebung und Gestaltung von Geschäftsprozessen. Der Verband der Automobilindustrie empfiehlt in der VDA 6.3 das Diagramm als Methode zur Vorbereitung eines Prozessaudits. Der systematische Ansatz des Diagramms hilft, Schwächen in der Prozessorganisation aufzuzeigen. Zugleich wird eine Betrachtung von Risiken des Prozesses ermöglicht. Im Ergebnis schafft das Turtle-Diagramm Transparenz zu dem Prozess, seinen Schwächen und zeigt damit Ansatzpunkte für mögliche Verbesserungen.
Dieser Beitrag stellt Ihnen die Grundlagen des Turtle-Diagramms sowie die Schritte zu seiner Erstellung detailliert vor. Erfolgsfaktoren der Anwendung sowie eine Übersicht der Vor- und Nachteile runden den Beitrag ab.
Arbeitshilfen:
von:

1 Kurzbeschreibung und Ablauf

Prozesse im Zentrum
Unternehmen richten ihre Leistungserstellung immer stärker prozessorientiert aus. Nicht mehr Abteilungen, sondern die wertschöpfenden Abfolgen von Aktivitäten quer durch das Unternehmen sind das bestimmende Organisationskriterium.
Ein Prozess wird definiert als eine sachlogisch zusammengehörige Abfolge von Aktivitäten, die durch ein auslösendes Ereignis gestartet wird. Der Prozess strebt ein Ergebnis an und transformiert dazu „Input” – das können Materialien, aber auch Informationen sein – in „Output”, das Prozessergebnis.
Umriss einer Schildkröte
Das Turtle-Diagramm untersucht diesen Transformationsprozess genauer. Neben Input und Output werden Ressourcen, Kompetenzträger (prozessbeteiligte Personen und ihre Fähigkeiten), Dokumente und Kennzahlen betrachtet. Optisch lassen sich diese sechs Bereiche in der Form einer Schildkröte anordnen.
Abb. 1: Teilbereiche des Turtle-Diagramms
Anwendungsszenarien
Jeder der genannten Bereiche wird detailliert betrachtet. Der Einsatz des Turtle-Diagramms empfiehlt sich in folgenden Situationen:
Schaffung von Prozesstransparenz: Was wird durch den Prozess aus welchen Ausgangsgrößen erstellt? Wer ist am Prozess beteiligt, welche Ressourcen werden eingesetzt, wie läuft der Prozess ab und wie kann seine Güte gemessen werden?
Vorbereitung eines internen oder externen Prozess-Audits,
Prozesse eingrenzen und Auditschwerpunkte setzen,
Dokumentation der Unternehmensprozesse,
Identifikation von Prozessschwachstellen als Ausgangspunkt für folgende Verbesserungsmaßnahmen,
Reorganisationsprojekte zur Prozessoptimierung oder im Rahmen von kompletten Prozesserneuerungen.
Verwandtschaft mit anderen Tools
Das Turtle-Diagramm hat deutliche Gemeinsamkeiten mit anderen Werkzeugen aus dem Bereich des Prozess- und Qualitätsmanagements:
Six-Sigma nutzt die SIPOC-Logik, wonach ein (Leistungs-) Prozess aus einer Kette von Lieferanten (S – Supplier), Eingaben (I – Input), der Transformation selbst (P – Process), den Ergebnissen (O – Output) bis hin zum Kunden (C – Customer) reicht. Der Kern von SIPOC, das I-P-O, findet sich auch im Turtle-Diagramm.
Eine Prozesslandkarte stellt die Prozesse der Organisation überblickartig auf höchster Aggregationsstufe dar. Mit dem Schildkröten-Diagramm werden diese einzeln untersucht.
Das Flussdiagramm (Flow-Chart) ist eine detaillierte, im Vergleich zum Turtle-Diagramm jedoch nicht in Dimensionen (Ressourcen, Kompetenzträger etc.) gegliederte Darstellung.
Gang des Beitrags
Das folgende Kapitel stellt Teilbereiche des Turtle-Diagramms und die Schritte zu seiner Erstellung vor. Eine Erweiterung um Risikoaspekte und das begleitende Formblatt werden im dritten Kapitel präsentiert.

2 Die Teilbereiche des Diagramms und ihre Erstellung

Die Erstellung des Turtle-Diagramms ist typischerweise eine Teamarbeit. Teammitglieder sind z. B. der Prozesseigner sowie Mitarbeiter, die den Prozess ausführen – sie haben die höchste Sachkenntnis zu den (tatsächlichen) Abläufen.
Die Arbeit beginnt mit der Wahl des zu untersuchenden Prozesses. Danach werden schrittweise die einzelnen Bereiche des Diagramms betrachtet. Dabei ist eine bestimmte Reihenfolge empfohlen:
1.
Prozess festlegen und Prozessgrenzen bestimmen (Der „Bauch” der Schildkröte).
2.
Die sechs Bereiche werden in der Reihenfolge Output, Input, Ressourcen, Kompetenzträger, Dokumente, Kennzahlen nacheinander detailliert betrachtet und die Ergebnisse in das Diagramm übertragen („Kopf”, „Schwanz” und „Extremitäten” der Schildkröte).
3.
Eventuelle Risikobetrachtung anschließen.
Abb. 2: Das systematisierte Turtle-Diagramm
Prozess und Prozessgrenzen
Zu Beginn ist der Prozess festzulegen. Es wird ein eindeutiger, griffiger Prozessname gewählt und in die Mitte des Diagramms geschrieben. Das Team definiert, „von wo bis wo” der Prozess untersucht wird: Die Wahl geeigneter Prozessgrenzen ist wichtig, denn damit wird der Fokus der Analyse festgelegt.
Ein Beispiel: „Auftragsabwicklung – vom Bestelleingang bis zum Versand”.
Output
Es wird als Erstes der Output betrachtet. Das hat seinen Grund darin, dass dieser meist leicht zu identifizieren ist. Letztlich reicht ein umfassender Blick darauf, was alles durch den Prozess erstellt wurde.
Führt man das Beispiel des Auftragsabwicklungsprozesses fort, so können die „Kommissionierte Ware”, die „Rechnung” und ein „Beförderungsauftrag Paketdienst” genannt werden. Auch Informationen können Output sein.
Input
Das Team sucht den Prozessauslöser und die dabei dem Prozess zugeleiteten Faktoren, den Input. Diese Faktoren können sowohl immateriell sein (Informationen, Kundenwünsche) als auch materiell (z. B. das Auto des Kunden bei Reparaturannahme).
Fragen zur Analyse des Inputs können sein:
Welches Ereignis löst den Prozess aus?
Wie erfahren wir davon?
Was erhalten wir vom Prozessauslöser?
Ressourcen
Prozesse benötigen zu ihrer Ausführung Ressourcen. Das sind Betriebsmittel, Waren, weitere Daten etc. Die vom betrachteten Prozess genutzten internen Faktoren werden jetzt untersucht und die Ergebnisse im Diagramm vermerkt.
Im Beispiel des Auftragsabwicklungsprozesses werden unter anderem ein Bildschirmarbeitsplatz mit Software zur Bestellaufnahme, ggf. Telekommunikationsmittel/Internetanbindung, die Ware, Verpackungsmaterial, Papier für die Rechnung, ein Drucker etc. als Ressourcen benötigt.
Kompetenzträger
Meist wird ein Prozess auch die Beteiligung von Mitarbeitern erfordern. Dies wird mit den Kompetenzträgern analysiert. Der Begriff ist deshalb gewählt, weil es nicht um die Betrachtung der konkreten Mitarbeiter als Individuen geht: „Herr Meier” kann das Unternehmen verlassen, die von ihm ausgefüllte Rolle des z. B. „Disponenten” mit den erforderlichen Kompetenzen bleibt jedoch.
Folgende Fragen führen zu einer Übersicht der beteiligten Kompetenzträger:
Wer ist an der Ausführung des Prozesses direkt beteiligt?
Gibt es einen Prozesseigner und an wen wird berichtet?
Wer erteilt Weisungen hinsichtlich der Prozessausführung?
Wer wird unterstützend tätig, wenn Probleme auftreten?
Welche Kompetenzen benötigen die identifizierten Rollen? Das betrifft auch Wissen, Fähigkeiten etc.
Für die Auftragsabwicklung stellt das Team beispielsweise fest, dass der Prozess u. a. den Kompetenzträger „Bestellannahme” mit den Kompetenzen „Serviceorientierung; technische Kenntnis des Produkts; Kundenorientierung” erfordert.
Dokumente
Das Team untersucht, welche (Vorgabe-)Dokumente zu dem Prozess benötigt werden. Zu nennen sind:
Verfahrensanweisungen,
Checklisten,
Prüfanweisungen, aber auch
gesetzliche Vorschriften.
Für das Beispiel der Auftragsabwicklung kommt hier z. B. eine Verfahrensanweisung zum Packen der Versandeinheiten in Betracht.
Kennzahlen
In diesem Schritt wird untersucht, welche Kennzahlen oder Leistungsindikatoren zur Messung aber auch Steuerung des Prozesses zur Verfügung stehen oder auch schon genutzt werden.

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