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10110 Lieferantenauswahl und -bewertung

In diesem Beitrag erfahren Sie, wie Sie eine systematische und mit der ISO 9001:2015 konforme Lieferantenauswahl und -bewertung entwickeln und in Ihrem Unternehmen einführen können. Beginnend mit grundlegenden Aspekten zur Ermittlung der Qualität von Lieferanten, werden der Ablauf eines Verfahrens zur Lieferantenbewertung und -auswahl und die gängigsten Methoden zur Ermittlung der Qualität von Produkten und Leistungen beschrieben.
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1 Grundlegende Aspekte der Beurteilung der Lieferantenqualität

Die Qualität eines Produkts wird zu einem wesentlichen Teil von der Qualität der zugekauften Materialien beeinflusst. Daher ist es zwingend erforderlich, die Beschaffung als wichtigen Bestandteil des Qualitätsmanagements zu verstehen.
Diese Erkenntnis hat auch in die Qualitätsmanagement-Norm ISO 9001:2015 Eingang gefunden, in der im Abschnitt „8.4 Steuerung von extern bereitgestellten Prozessen, Produkten und Dienstleistungen” folgende Anforderungen an die Lieferantenbewertung und -auswahl formuliert werden:
„Die Organisation muss sicherstellen, dass extern bereitgestellte Prozesse, Produkte und Dienstleistungen den Anforderungen entsprechen”… „Die Organisation muss Kriterien für die Beurteilung, Auswahl, Leistungsüberwachung und Neubeurteilung externer Anbieter bestimmen und anwenden, die auf deren Fähigkeit beruhen, Prozesse oder Produkte und Dienstleistungen in Übereinstimmung mit Anforderungen bereitzustellen. Die Organisation muss dokumentierte Informationen zu diesen Tätigkeiten und über jegliche notwendigen Maßnahmen aus den Bewertungen aufbewahren.”
Ursprünglich beschränkten sich qualitätssichernde Maßnahmen meist nur auf Qualitätsprüfungen beim Wareneingang. Die Kosten, die durch solche Produktprüfungen entstehen, lassen sich jedoch bei einer verschärften Wettbewerbssituation, verursacht durch den Wandel des Zuliefermarktes, häufig nicht mehr durch den Verkaufspreis hereinholen. Aus diesem Grund wird zunehmend versucht, Warenprüfungen auf den Lieferanten abzuwälzen und mit zusätzlichen Maßnahmen, wie z. B. der Lieferantenbewertung, die Qualitätsanforderungen in der Beschaffung sicherzustellen.
Der nachfolgende Beitrag beschäftigt sich daher mit der Auswahl von geeigneten Lieferanten sowie den Möglichkeiten, diese auf ihre Fähigkeit hin zu prüfen, Produkte und Dienstleistungen in der festgelegten Qualität unter Berücksichtigung der Wirtschaftlichkeit liefern zu können.
Lösung/Lösungsweg
Um die Qualität von Zulieferern sicherzustellen, sind geeignete Maßnahmen erforderlich, mit dem Ziel, Fehler nicht erst beim Kunden zu erkennen, sondern möglichst da, wo sie entstehen. Die Beurteilung von Lieferanten soll hier Risiken vermeiden helfen und ein erster Schritt in Richtung partnerschaftlich orientierter Lieferantenpolitik sein.
Für die Lieferantenbewertung können u. a. folgende Informationsquellen herangezogen werden:
Angebotsanalyse,
Lieferantenselbstauskunft,
Auswertung von Referenzen,
Erstmusterprüfung,
Auswertung der Lieferleistung,
Lieferantenaudit.
Häufig wird die Lieferleistung des Lieferanten geprüft, Informationen über seine wirtschaftliche, ökologische sowie technische Leistungsfähigkeit werden hingegen vernachlässigt.
Lieferleistung und Leistungsfähigkeit als Beurteilungskriterien
Um den erhöhten Anforderungen des Einkaufs gerecht zu werden, müssen geeignete Verfahren im Rahmen des QMSystems die Qualität der zu beschaffenden Güter sicherstellen und Risiken frühzeitig erkennbar machen. Bei der Lieferantenbewertung ist sowohl die Leistungsfähigkeit des Unternehmens wie auch die Lieferleistung zu prüfen und zu überwachen. Nur durch die Betrachtung beider Aspekte kann die Lieferantenqualität beurteilt werden.

1.1 Leistungsfähigkeit

Um beurteilen zu können, ob Unternehmenspotenziale eine längerfristige positive Entwicklung des Lieferanten erwarten lassen, müssen Anforderungskriterien definiert werden, die sowohl die wirtschaftliche, die technische wie auch die ökologische Leistungsfähigkeit des Lieferanten charakterisieren. Hierzu sind jedoch einige Punkte zur eigenen Strategie im Vorfeld durch das Projektteam zu klären; so z. B.:
Welche Kundenanforderungen werden in der Zukunft erwartet?
Wie werden die Bereiche Einkauf und Logistik zukünftig im eigenen Haus strategisch ausgerichtet?
In welchem Umfang stehen personelle, finanzielle und sachliche Ressourcen für die Lieferantenbewertung zur Verfügung? Sind Bewertungen beim Lieferanten „vor Ort” möglich?
Fragenkatalog
Vor diesem Hintergrund ist ein Fragenkatalog aufzubauen, der die erforderlichen Aspekte zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit in Form von Kriterienblöcken zusammenstellt. Nachfolgend werden in Tabelle 1 einige Kriterienblöcke exemplarisch dargestellt.
Tabelle 1: Kriterienblöcke zur Bewertung der Leistungsfähigkeit [1]
Kommunikation
Einhaltung von Zusagen
Verhalten bei Verhandlungen
Vorabinformation bei Störungen
Eskalation
Vertrauenswürdigkeit
Offenheit
Preis/Gesamtkosten
Preisniveau
Preisstabilität
Kostentransparenz
Verhandlungsbereitschaft
Rücknahme der Verpackung
Werkzeugkosten
Zahlungsbedingungen
Standort
Transportdauer/-kosten
Verkehrsanbindung/Risiken
Sprache
Rechtsordnung
geografische Lage
Mentalität
Gerichtsstand
Umweltschutzauflagen
Kapazität
Anzahl Mitarbeiter
Maschinenpark
Lagerkapazität
Marktanteil
Auslastung
Elastizität
Vertriebslogistik
Alternative Kriterien
Alternativ hierzu können folgende Hauptgruppen als Richtschnur dienen:
Wirtschaftlichkeit,
Versorgungssicherheit,
Technik und technisches Know-how,
Service,
Bonität und
Ökologie.
Diese Hauptgruppen werden dann ebenfalls in relevante Teilgruppen untergliedert. Idealerweise sollten in jedem Kriterienblock bzw. jeder Hauptgruppe die gleiche Anzahl Unterpunkte enthalten sein, um so den Eindruck einer unterschiedlichen Gewichtung der Kriterien zu vermeiden. Alternativ kann eine gezielte Gewichtung der Kriterien mithilfe von Faktoren oder Prozentsätzen erfolgen.

1.2 Lieferleistung

Die Lieferleistung spiegelt die reale Leistungsfähigkeit des Lieferanten wider und wird meist im Wareneingang geprüft. Dabei werden in der Regel drei Faktoren berücksichtigt:
1.
die Qualität: Es wird die Qualität der gelieferten Materialien und Dienstleistungen beurteilt;
2.
die Terminzuverlässigkeit: Hier wird geprüft, wie exakt der vereinbarte Liefertermin der bestellten oder abgerufenen Materialien und Dienstleistungen eingehalten wurde;
3.
die Mengenzuverlässigkeit: Differenzen zwischen bestellter bzw. abgerufener Menge und tatsächlich gelieferter Menge werden hier bewertet.
Demnach sind sowohl bei der Auswahl eines neuen Lieferanten als auch bei der laufenden Geschäftstätigkeit bzgl. des Lieferantenstamms verschiedene Prüfungen vorzunehmen, um das Ausfall- und Qualitätsrisiko so gering wie möglich zu halten.
Nachfolgend werden die einzelnen Schritte bei der Auswahl eines Lieferanten näher betrachtet.

2 Vorgehensweise bei der Lieferantenauswahl

Ablaufdiagramm
Für die Beschaffung von Materialien, Werkzeugen, Dienstleistungen etc. wird entweder auf einen bestehenden Lieferantenstamm zugegriffen oder, wenn dies nicht möglich ist, müssen neue Lieferanten gefunden werden. Nachfolgend soll dargestellt werden, wie Lieferanten auf ihre Fähigkeiten hin geprüft werden können, das gewünschte Produkt in der erforderlichen Qualität zuverlässig zu liefern. Das Ablaufdiagramm in Abbildung 1 stellt die Lieferantenauswahl grafisch dar.

2.1 Zusammenstellen von möglichen Lieferanten

Nachdem die Leistungstiefe der Produkte und Teilleistungen, die hinzugekauft werden müssen, festgelegt ist, müssen geeignete Lieferanten gefunden werden. Ziel ist es, eine Selektion von Lieferanten zu erreichen, die sowohl in ihrer Leistungsfähigkeit als auch ihrer Lieferleistung den Qualitätsanforderungen des Unternehmens entsprechen, um so eine partnerschaftliche und kooperative Beziehung zu beiderseitigem Nutzen aufzubauen.
Abb. 1: Ablauf Lieferantenauswahl

2.2 Anforderung von Angeboten, Selbstauskünften und Erstmustern

Zur Beurteilung eines Lieferanten werden zunächst einmal verschiedene Angebote sowie Lieferantenselbstauskünfte eingeholt. In vielen Fällen wird zudem ein Muster verlangt, das eingehend untersucht wird. Nachfolgend werden die einzelnen Schritte näher betrachtet.
Angebotsanalyse
Die klassische Methode, um erste Informationen zu erhalten, ist die Angebotsanalyse. Häufig existiert in Unternehmen die Regelung, dass zumindest drei Angebote vor einer Auftragsvergabe einzuholen sind. Diese Angebote geben im Vorfeld Aufschluss z. B. über die Art der Leistung, die Leistungstiefe, den Preis, aber auch über Faktoren wie Lieferzeiten und Zahlungsbedingungen.
Selbstauskunft
In Fällen, in denen ein relativ geringes Risiko den Aufwand einer ausführlichen Lieferantenbewertung nicht rechtfertigt, wird in der Regel auf die sogenannte Selbstauskunft zurückgegriffen. Hierbei wird dem Lieferanten ein Beurteilungsfragebogen, meist in Form einer Checkliste, zugeschickt und ausgefüllt zurückverlangt. Auf diese Weise wird versucht, ein Minimum an Beschaffungssicherheit zu gewährleisten.
Empfehlenswert ist jedoch eine ganzheitliche, objektive Betrachtung durch eine kombinierte Angebots- und Lieferantenanalyse, bei der zusätzlich zur Lieferleistung auch die wirtschaftlichen, ökologischen und technischen Ressourcen geprüft und bewertet werden.

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