13250 Prüfmittelmanagement

Das Prüfmittelmanagement hat die Aufgabe die Funktionalität der eingesetzten Prüfmittel (nach DIN EN ISO 9001 Ressourcen zur Überwachung und Messung) sicherzustellen. Diese Aufgabe schließt bei als Prüfmittel eingesetzten Messmitteln das Sicherstellen ihrer Rückführung und Kalibrierung ein. Dazu werden hier die Grundlagen von Messunsicherheit und Messabweichung sowie die Verfahren zur Qualifikation und Prüfung von Messmitteln erläutert. Weiterhin wird dargestellt, wie die Informationen zur Messunsicherheit bei der Prüfentscheidung verwendet werden. Zur Realisierung des Prüfmittelmanagements dienen die Prüfmittelplanung und -beschaffung, die Prüfmittelüberwachung sowie die Prüfmittelverwaltung.
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1 Einführung

Zentrale Aufgabe des Prüfmittelmanagements ist die Sicherstellung der einwandfreien Funktionalität der eingesetzten Prüfmittel und in Zusammenarbeit mit der Prüfplanung die Auswahl geeigneter Prüfmittel. Dazu durchlaufen die Prüfmittel den in Abbildung 1 schematisch dargestellten Prozess.
Abb. 1: Durchlauf der Prüfmittel durch die Aufgabenbereiche des Prüfmittelmanagements und zugehörige Anforderungen aus dem Abschnitt 7.1.5.1 „Ressourcen zur Überwachung und Messung, Allgemeines” der DIN EN ISO 9001 [1] [2]
Prüfmittelplanung
Der Prüfmittelbedarf ergibt sich aus den zu prüfenden Produktmerkmalen. Dieser Bedarf wird durch das Prüfmittelmanagement erfasst, um daraus einen Bedarfsplan zu entwickeln, der die Basis für die Beschaffung von Prüfmitteln bildet.
Prüfmittelbeschaffung
Der Bedarf wird, sofern die Prüfmittel nicht vorhanden sind, durch Beschaffungen gedeckt. Bei der Eingangsprüfung wird festgestellt, ob die beschafften Prüfmittel den vereinbarten Spezifikationen entsprechen.
Prüfmittelqualifikation
Oft ist mit dieser Eingangsprüfung eine Qualifikation der Prüfmittel verbunden, wobei unterschiedliche Verfahren, wie die Eignungsuntersuchung (Abschnitt 3.1) oder die Messsystemanalyse (Abschnitt 3.2) zur Anwendung kommen.
Prüfmittelüberwachung
Während des Einsatzes werden die Prüfmittel ständig überwacht, wobei hier Vorgehensweisen aus der Eingangsprüfung und Qualifikation abgeleitet werden.
Prüfmittelverwaltung
Zur organisatorischen Realisierung und Dokumentation der Überwachung dient die Prüfmittelverwaltung.
Anforderungen der DIN EN ISO 9001
Formal sind die Anforderungen an das Prüfmittelmanagement in den zwei Teilen des Abschnitts 7.1.5 „Ressourcen zur Überwachung und Messung” der DIN EN ISO 9001 festgelegt (s. Abb. 2).
Abb. 2: Anforderungen aus dem Abschnitt 7.1.5 „Ressourcen zur Überwachung und Messung" aus der DIN EN ISO 9001
Allgemeines
Im ersten Teilabschnitt wird die Zielsetzung an das Prüfmittelmanagement definiert: Die Ressourcen zum Nachweis der Konformität von Produkten und Dienstleistungen mit festgelegten Anforderungen müssen gültige und zuverlässige Überwachungs- und Messergebnisse liefern. Diese einleitende Formulierung ist allgemeiner gehalten als die in der vorhergehenden Ausgabe der DIN EN ISO 9001, um die jetzt explizit erwähnten Dienstleistungen einzubeziehen. Das ändert aber nichts an der Bedeutung insbesondere im Hinblick auf industriell erzeugte Produkte: Es wird weiterhin gefordert, dass die eingesetzten Mittel zur Überwachung und Messung Informationen liefern, die eine eindeutige Konformitätsbewertung ermöglichen. Dazu ist es erforderlich, dass die Unsicherheit der Bewertung bekannt ist und berücksichtigt wird. Ein abweichendes Ergebnis darf bei der Reproduktion der Bewertung um nicht mehr als die Unsicherheit vom ursprünglichen Ergebnis abweichen, sodass sich die gleiche Konformitätsentscheidung ergibt.
Zur Erzielung solcher gültigen und zuverlässigen Ergebnisse ist zunächst die Eignung der Ressourcen festzustellen und anschließend sicherzustellen, dass diese Eignung aufrechterhalten bleibt. Diese beiden Anforderungen lassen sich auf die zuvor beschriebenen Aufgaben des Prüfmittelmanagements: Prüfmittelqualifikation und Prüfmittelüberwachung abbilden (s. Abb. 1). Die Nachweise für die Eignung müssen dokumentiert werden, was Aufgabe der Prüfmittelverwaltung ist.
Messtechnische Rückführbarkeit
Der zweite Teilabschnitt beschäftigt sich mit dem Thema der „Messtechnischen Rückführbarkeit”. Er bezieht diesen Begriff nur auf Messmittel, die bei der Qualitätsprüfung in der industriellen Produktion eine wesentliche Rolle spielen. Er fordert deren Kalibrierung, Verifizierung und Rückführung auf Normale. Weiterhin fordert er die Kennzeichnung, um ihren Status zu erkennen und einen geeigneten Schutz vor Veränderung, um die Gültigkeit der Messergebnisse sicherzustellen. Schließlich wird in diesem Abschnitt gefordert Maßnahmen vorzusehen für den Fall, dass Messmittel ermittelt werden, die Messergebnisse zur Konformitätsbewertung geliefert haben, obwohl sie dazu nicht geeignet waren.
Auch wenn einige Formulierung gegenüber der vorhergehenden Ausgabe der DIN EN ISO 9001 verändert sind und durch die Aufteilung in 2 Teilabschnitte das Thema der „Messtechnischen Rückführbarkeit” hervorgehoben wird, hat sich an den Anforderungen an das Prüfmittelmanagement insbesondere für Unternehmen der industriellen Produktion nichts Wesentliches verändert.
Auch in anderen Standards werden Anforderungen an ein Prüfmittelmanagement gestellt.
Anforderungen in ISO/TS 16949 und VDA 6
In der Automobilindustrie wird der Standard ISO/TS 16949 mit besonderen Anforderungen bei der Anwendung von ISO 9001 für die Serien- und Ersatzteil-Produktion verwendet. Seine Struktur entspricht bisher der Struktur der Ausgabe der ISO-Norm von 2008. Bis Ende 2016 wird jedoch eine neue Ausgabe erscheinen, die sich an der neuen ISO-Norm orientiert. Es ist daher nicht überraschend, dass in diesem Standard keine abweichenden Forderungen hinsichtlich des Prüfmittelmanagements gestellt werden. Es werden jedoch konkretere Anforderungen an die Messsystemqualifikation, die Dokumentation sowie die Laboratorien, die die Kalibrierung durchführen (s. u.), definiert. Diese Konkretisierungen werden sich auch in der neuen Auflage wiederfinden. In der deutschen Automobilindustrie ist daneben der Standard VDA 6.1 für das Systemaudit eines Qualitätsmanagementsystems von Bedeutung. Er basiert ebenfalls auf der ISO 9001. Im Teil 16 seines Fragenkatalogs wird gefordert, die Prüfmittel zu qualifizieren und zu überwachen. Auch dieser Standard wird zurzeit überarbeitet.
Anforderungen aus dem Bereich der Medizinprodukte
Weitere Anforderungen an die Prüfmittelüberwachung in der industriellen Produktion kommen aus dem Bereich der Medizinprodukte. Hier bilden gesetzliche Anforderungen die Grundlage, die von staatlichen Einrichtungen wie beispielsweise der FDA (Food and Drug Administration der USA) überwacht werden [3].
Qualitative und quantitative Merkmale
Bei der Qualitätsprüfung wird zwischen quantitativen und qualitativen Merkmalen unterschieden (Abbildung 1 im Abschnitt „Qualitätsprüfung als Teil des Qualitätsmanagements”).
Quantitative Merkmale werden vorwiegend durch Messungen bestimmt. Für Messungen gibt es standardisierte Vorgehensweisen zum Umgang mit der Unsicherheit der Messung und zur Bestimmung dieser Unsicherheit.
Bei qualitativen Merkmalen wird die Unsicherheit zumeist in Form einer Wahrscheinlichkeit für falsche oder richtige Prüfentscheidungen auf Basis individueller Untersuchungen in Abhängigkeit von der Art des Merkmals bestimmt.

1.1 Prüfung quantitativer Merkmale: Messunsicherheit und Messabweichung

Das Ziel der Messung einer Messgröße ist es, ihren „wahren Wert” zu ermitteln. Aufgrund der bei der Messung wirkenden Störeinflüsse treten jedoch unvermeidliche Messabweichungen auf (s. Abb. 3). Wegen dieser Beeinflussung des Messergebnisses ist es nicht möglich, den wahren Wert genau zu ermitteln. Lediglich das Messergebnis als Schätzwert für den wahren Wert einer Messgröße und die Messunsicherheit lassen sich aus den Messwerten und anderen Informationen zu der Messung bestimmen.
Abb. 3: Ursachen für Messabweichungen in der industriellen Produktion [2]
Messunsicherheit
Die Messunsicherheit ist ein dem Messergebnis zugeordneter Parameter, der die Streuung der Werte kennzeichnet, die vernünftigerweise der Messgröße zugeordnet werden können [4].
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