Lieferantenaudits sind in der Praxis für viele Unternehmen Bestandteil ihrer Managementsysteme. Dieser Beitrag bietet eine praktische Hilfestellung dazu, wie Sie Lieferantenaudits erfolgreich und effizient planen, vorbereiten und durchführen können. Die Ausführungen orientieren sich inhaltlich an den Anleitungen/Empfehlungen der Norm DIN EN ISO 19011 „Leitfaden zur Auditierung von Managementsystemen” [1]
1
DIN EN ISO 19011:2018-08 – Leitfaden zur Auditierung von Managementsystemen (ISO 19011:2018); Deutsche und Englische Fassung DIN EN ISO 19011:2018
und geben Ihnen nützliche Tipps für die Gestaltung des Auditprozesses zur Durchführung von Lieferantenaudits. Dabei unterstützen Sie direkt verwendbare Arbeitshilfen in Form von Mustertexten, Beispielen und Formularen, die Sie an die Erfordernisse Ihres Unternehmens anpassen können.
Im Rahmen der Auswahl neuer Lieferanten kann im Vorfeld eines Lieferantenaudits eine Lieferantenselbstauskunft eingeholt werden. Die Lieferantenselbstauskunft in Form eines Fragebogens gehört heute in fast allen Branchen zu den Standardwerkzeugen der Lieferantenauswahl. Bei Lieferanten mit geringerer Qualitätsbedeutung wird häufig nur eine Lieferantenselbstauskunft eingeholt. Wenn diese in der Bewertung positiv ausfällt, wird auf eine nachfolgende Auditierung ggf. verzichtet und der Lieferant auf Probe zugelassen. Die Probezeit endet in der Regel nach drei bis fünf korrekten Lieferungen. Je nach Branche und je nachdem, ob es sich dabei um Produkt- oder Dienstleistungslieferanten handelt, können die Inhalte der Fragebögen stark voneinander abweichen. Es ist daher erforderlich, dass Sie Ihre Fragebögen an die jeweiligen Bedürfnisse anpassen. In dem beigefügten Worddokument „Lieferantenselbstauskunft” finden Sie ein bearbeitbares Muster; das Ihnen beim Erstellen und Ausgestalten eines solchen Dokuments als Hilfestellung dienen kann.
Die verantwortlichen Personen für das Auditprogramm sollten Risiken aber auch Chancen, die sich durch den Auditprozess Lieferantenaudits sowie das Auditprogramm ergeben, mittels geeigneter Methoden erfassen und bewerten. Bezüglich der acht Auditaspekte 1. Auditprogrammplanung, 2. Auditprogrammüberwachung, 3. Auditdurchführung, 4. Auditfolgemaßnahmen, 5. Auditoren-Kapazität und -Kompetenz, 6. Lieferantenbeteiligung, 7. Effizienz von Lieferantenaudits und 8. Wirksamkeit auf das Beschaffungsmanagement sollten die darin enthaltenen einzelnen Risiken und Chancen in einer Expertenrunde mittels Brainstorming ermittelt und bewertet werden. Die Risiko- und Chancenbewertung werden getrennt voneinander vorgenommen, da die Bewertungskriterien verschieden sind. Die genaue Vorgehensweise ist im Beitrag erläutert. Als Arbeitshilfe finden Sie ein Beispiel für eine Risiko-Chancen-Bewertungsmatrix beigefügt, das Sie an Ihre betrieblichen Gegebenheiten bezüglich Auditaspekte sowie einzelne Risiken und Chancen anpassen sollten.
Der Prüfumfang und die Prüfschärfe innerhalb der einzelnen Normenkapitel sollten je nach Zielstellung des Lieferantenaudits für jedes einzelne Kapitel der ISO 9001 festgelegt werden. Die Übersicht „Zuordnung Auditarten zu ISO-9001-Kapiteln” zeigt beispielhaft, wie je nach Zielstellung die Art der Audits hinsichtlich der Prüftiefe den einzelnen Kapiteln der QM-Norm zugeordnet werden kann. In diesem Muster ist zu erkennen, welche Aspekte der ISO 9001:2015 nach einem Systemaudit (z. B. wenn man einen neuen Lieferanten auditieren will), nach einem vertieften Systemaudit oder nach einem Prozessaudit geprüft werden sollen.
Führt ein Unternehmen in größerem Umfang Lieferantenaudits durch, ist es sinnvoll, für Lieferantenaudits ein eigenes Auditprogramm unabhängig vom Auditprogramm für interne Audits zu erstellen. Werden aus kurzfristigen Anlässen Lieferantenaudits durchgeführt, sind diese im Auditprogramm für Lieferantenaudits zum Zeitpunkt ihrer Planung nachzutragen, da das Auditprogramm zum Abschluss der Planungsphase auch als Nachweis der durchgeführten Lieferantenaudits dient und auf der Basis des Auditprogramms und der Auditberichte die Verbesserung von zukünftigen Auditprogrammen vorgenommen werden soll. In der beigefügten Exceltabelle finden Sie ein Muster für ein „Auditprogramm für Lieferantenaudits”, das Sie an die eigenen Bedürfnisse anpassen können.
Die Übergabe eines einzelnen Auditauftrags für ein Lieferantenaudit sollte vom Verantwortlichen für das Lieferantenauditprogramm an den Auditteamleiter erfolgen. Um eine wirksame Planung und Durchführung des einzelnen Lieferantenaudits sicherzustellen, sollte dieser Auftrag rechtzeitig und schriftlich vor der Durchführung des Audits erfolgen und die erforderlichen Informationen enthalten die für das einzelne Audit notwendig sind, wie z. B. Auditzielsetzung, Auditkriterien, Auditumfang, Auditmethoden, Termine, Standorte, Ressourcen oder Risiken. Falls notwendig, ist der Auditteamleiter auch mit weiteren Informationen wie z. B. Kontaktdaten des Lieferanten, Folgemaßnahmen früherer Audits,Gesundheits- und Sicherheitsanforderungen zu versorgen. Im beigefügten Worddokument „Auditauftrag für Lieferantenaudit” finden Sie ein beispielhaftes Muster, das Ihnen als Vorlage für die Erstellung und Ausgestaltung eines eigenen Auditauftrags dienen kann.
Der Auditplan soll die effiziente Ablaufplanung und Koordinierung der Audittätigkeiten vor Ort erleichtern, um die Auditziele zu erreichen. Der Umfang und die Inhalte des Auditplans können je nach Zielstellung und Erfordernissen des Lieferantenaudits variieren. Er sollte daher flexibel sein, um Änderungen im Auditverlauf zu gestatten. Die Arbeitshilfe „Auditplan Lieferantenaudit” liefert Ihnen ein beispielhaftes Muster für einen solchen Plan, den Sie an Ihre Anforderungen und Gegebenheiten anpassen können.
Bestandteile des Beispiels sind ein Formblatt „Auditbericht mit Gesamtergebnisdarstellung”, der Fragenkatalog (12 Seiten mit Auditfragen zu den Normenkapiteln der ISO 9001), das Formblatt Ergebnisauswertung der Auditfragen (mit Bewertungssystematik), das Formblatt Maßnahmenplan für Auditfolgemaßnahmen und das Formblatt Erläuterung zur Bewertungs-/Einstufungsregel. Das Deckblatt (erstes Tabellenblatt) des Auditberichts enthält die Stammdaten des Audits und eine Zusammenfassung des Auditergebnisses inkl. einer Kommentierung der wesentlichen Auditfeststellungen sowie die Vereinbarung über das weitere Vorgehen bezüglich der Auditfolgemaßnahmen. Das zweite Tabellenblatt enthält den Fragenkatalog inkl. der Punktebewertung für jede einzelnen Auditfrage. Bei einer Bewertung unter 10 Punkten wird in Kurzform die Auditfeststellung dokumentiert. In der Frageliste sind für die weitgehend normativ geprägten Kapitel 4, 5, 6, 7, 9 und 10 der ISO 9001 allgemeine Musterfragen vorformuliert. Diese Musterfragen können, soweit zweckmäßig, auch durch firmenspezifische Fragen ersetzt oder ergänzt werden. Insgesamt sind 29 Fragegruppen in sieben Clustern gebildet. Im dritten Tabellenblatt erfolgt die numerische Auswertung des Auditergebnisses. Die Ergebnisse der einzelnen Fragencluster werden aufsummiert, Mittelwerte gebildet und das zusammenfassende Endergebnis dargestellt. Das vierte Tabellenblatt des Auditberichts enthält die mit dem Lieferanten vereinbarte Maßnahmenliste.
Für die Auditdurchführung ist es wichtig, im Rahmen der Prozessanalyse Schwachstellen in der Aufbau- und Ablauforganisation zu erkennen und systematisch zu hinterfragen, durch welche Maßnahmen die vorhandenen Risiken ausgeschlossen werden. Diese detaillierte Analyse anhand des Turtle-Diagramms stellt wegen der nachvollziehbaren, systematischen Methode einen besonderen Mehrwert für das Entwickeln von Auditfragen dar. Über das strukturierte Formular werden alle relevanten Einflussfaktoren erfasst und zudem der Prozess und seine möglichen Risiken dargestellt. Sinnvollerweise werden auf diesem Formular Infos zu Prozesseigner, Prozessbezeichnung und die Prozessstützen mit erfasst. Als Beispiel ist finden Sie das Muster für eine „Turtle-Prozessanalyse” zur weiteren Verwendung beigefügt.
Dr.-Ing., seit mehr als zwanzig Jahren tätig als Unternehmensberater, interner Auditor (ISO 19011) und Trainer mit den Schwerpunkten Qualitäts- Umwelt- und Energiemanagement sowie Arbeits- und Gesundheitsschutz. Langjährige Führungserfahrung in der Automobilindustrie. Partner der TÜV Rheinland Consulting GmbH (ex. Mitarbeiter) und TÜV Rheinland Akademie GmbH. Autor von Publikationen und Fachbroschüren für die TÜV Media GmbH.
Aufbau des Beitrags Im Abschnitt 1 finden Sie eine knappe Einführung in die normativen Anforderungen und Grundlagen. Der Abschnitt 2 befasst sich mit dem Aspekt der Mess- und Bewertbarkeit. Abschnitt 3 geht vertiefend auf die anwendbaren Regelwerke ein, die als Basis für Lieferantenaudits dienen. Es werden im Folgenden in diesem Beitrag jeweils nur die Kurzformen der den deutschen Normen zugrunde liegenden internationalen Standards verwendet, z. B. ISO 19011. Im Hauptteil des Beitrags werden in den Abschnitten 4–6 die wichtigsten Anforderungen an
•
die Auditprinzipien, die Auditgrundlagen und die Vertraulichkeit,
•
das Auditprogramm für Lieferantenaudits sowie
•
das Vorbereiten und Durchführen von Lieferantenaudits
anschaulich erläutert und durch Praxistipps ergänzt.
DIN EN ISO 9000:2015 – Qualitätsmanagementsysteme – Grundlagen und Begriffe (ISO 9000:2015); Deutsche und Englische Fassung EN ISO 9000:2015
(Pkt. 3.13.1) ist ein Audit ein „systematischer, unabhängiger und dokumentierter Prozess zur Erlangung von Auditnachweisen und zu deren objektiver Auswertung, um zu ermitteln, inwieweit Auditkriterien erfüllt sind”. Die ISO 19011 [1]
1
DIN EN ISO 19011:2018-08 – Leitfaden zur Auditierung von Managementsystemen (ISO 19011:2018); Deutsche und Englische Fassung DIN EN ISO 19011:2018
– „Leitfaden zur Auditierung von Managementsystemen” definiert in der Einleitung den Anwendungsbereich der Norm auf interne Audits und Lieferantenaudits. Für Zertifizierungsaudits gilt die ISO/IEC 17021 [3]
3
DIN EN ISO/IEC 17021:2015 – Konformitätsbewertung – Anforderungen an Stellen, die Managementsysteme auditieren und zertifizieren (ISO/IEC 17021: 2015); Deutsche und Englische Fassung EN ISO/IEC 17021:2015
, die ISO 19011 kann dabei zur Hilfestellung herangezogen werden.
Weiterlesen und den „Der Qualitätsmanagement-Berater digital“ 4 Wochen gratis testen:
Das komplette Know-how in Sachen Qualitätsmanagement
Zugriff auf über 270 Fachbeiträge und 400 Arbeitshilfen
Um unser Produkt für Sie und uns erfolgreich zu gestalten und Ihnen darin ein optimales Arbeitserlebnis anbieten zu können, verwenden wir Cookies.
Neben den für einen einwandfreien Betrieb technisch notwendigen Cookies erheben wir Daten zur statistischen Auswertung, um das Produkt kontinuierlich zu optimieren. Dafür bitten wir um Ihr Einverständnis.