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06210 Nutzung von Referenzprozessen

Vorgehensweise und Vorteile

Qualitätsnormen wie ISO 9001 erfordern die Pflege einer prozessbasierten Organisationsbeschreibung, wofür im Allgemeinen softwarebasierte Prozessmanagementwerkzeuge eingesetzt werden. Die Modellierung von Geschäftsprozessen ist dabei eine zentrale Tätigkeit. Referenzprozesse erleichtern diese zeitaufwendige und methodisch anspruchsvolle Aufgabe. In diesem Beitrag werden Einsatzgebiete, Nutzen und Vorteile von Referenzprozessen und ihre Rolle beim Qualitätsmanagement erklärt sowie die Prinzipien der prozessorientierten Qualitätsmanagementorganisation und ihre Werkzeugunterstützung skizziert. Schließlich wird die Vorgehensweise beim Einsatz von Referenzprozessen mit Hilfe eines softwarebasierten Prozessmanagementwerkzeugs illustriert.
von:

1 Grundlegendes zu Referenzprozessen

1.1 Definition

Fachlicher Referenzprozess
Referenzprozesse sind grundsätzlich Muster oder Vorlagen für Abläufe, die auf Basis bewährter interner und/oder externer Praktiken entwickelt werden. Fachliche Referenzprozesse sind generalisierte Lösungen in einer bestimmten Domäne (z. B. Logistik, Chemie, Fahrzeugindustrie) [1]. In einem fachlichen Referenzprozess sind die wesentlichen Aktivitäten, teilnehmende organisatorische Einheiten, Informationen und unterstützende EDV-Systeme bei der Ausführung eines Prozesses abgebildet.
Ableitung induktiv und deduktiv
Ein Referenzprozess kann sowohl deduktiv und auch induktiv abgeleitet werden [2]. Bei der deduktiven Ableitung von Referenzprozessen ist ein durchdachter generischer Soll-Prozess das Resultat – eine Vorgabe, wie ein Prozess idealerweise ablaufen sollte. Bei der induktiven Ableitung werden Erkenntnisse aus unterschiedlichen Erfahrungen in einer konkreten Branche/Industrie in den Referenzprozess einbezogen, was zur Darstellung eines Best-Practice-Prozesses führt. Durch Auswahl und Ergänzung der Prozessbestandteile wird ein Musterprozess von dem Unternehmen oder der Abteilung zu seiner eigenen Prozessstruktur und deren Rahmenbedingungen oder zu den Gegebenheiten des aktuellen Projekts angepasst.
Referenzmodell
Eine Sammlung von fachlichen Referenzprozessen wird oftmals auch Referenzprozessmodell oder Referenzmodell genannt, wobei der Begriff „Modell” vor allem im Zusammenhang mit grafischen Werkzeugen genannt wird. Den Begriff des Referenzmodells verwenden auch Enterprise Resource Planning (ERP)-Systeme. Obwohl das Referenzmodell eines ERP-Systems auch branchen-/industriespezifische Referenzmodelle beinhaltet, ist sein Ziel, den Leistungsumfang der Standardanwendungen des Systems zu beschreiben, die Zusammenhänge zwischen Anwendungen und Informationsobjekten darzustellen und die technische Systemkonfiguration zu unterstützen.
In diesem Beitrag wird die Nutzung von fachlichen Referenzprozessen beschrieben.

1.2 Einsatzgebiete fachlicher Referenzprozessen

Die fachlichen Referenzprozesse liefern Unterstützung in einer Vielzahl von Bereichen in einem Unternehmen:
Wissensmanagement
Durch die Anwendung externer bereits in der Praxis erprobter Referenzprozesse, werden Branchenkenntnisse in das Unternehmen eingebracht. So fördern Referenzprozesse die Wissensakquisition.
Darüber hinaus, wenn ein Unternehmen eine Sammlung von modellierten Referenzprozessen pflegt und sie beispielsweise über Intranet verfügbar macht, bilden sie einen Wissenspool für alle Mitarbeiter. Referenzprozesse verbessern nicht nur das Verteilen von Wissen, sondern eignen sich auch für die Einarbeitung in betriebliche Sachverhalte und Schulungen.
Fachliche Referenzprozesse ermöglichen die Durchführung eines Benchmarkings, da sie als Vergleichsbasis für die entsprechenden Ist-Prozesse des Unternehmens dienen.
Benchmarking und Optimierung
Die Referenzprozesse, die für Benchmarking benutzt werden, können entweder extern oder intern sein. Die externen basieren bspw. auf Prozessen der Branchenmitbewerber oder auf branchenbezogenen Best-Practice-Prozessen und Assessmentmodellen wie z. B. SPICE, CMMI, COBIT, ITIL. Interne Referenzprozesse können als eine Ausprägung strategischer Ziele des Unternehmens entstanden sein und dienen dann zum Vergleich ähnlicher Prozesse quer durch das Unternehmen bspw. für ein Benchmarking verschiedener Standorte.
Durch den Vergleich von modellierten Soll- und Ist-Prozessen können Prozessingenieure und Organisatoren Engpässe, Standardsoftware
Ineffizienzen, Schwächen und fehlerhafte Koordination von vorliegenden oder entworfenen Prozessen identifizieren und die Prozessleistung optimieren. Referenzprozesse sind in diesem Sinne ein Ausgangspunkt für das kontinuierliche und auf Dauerhaftigkeit ausgerichtete Prozessmanagement. Referenzprozesse fördern allgemein die Zusammenarbeit zwischen den Beteiligten, z. B. bei einer Softwareeinführung oder deren Weiterentwicklung, da sie eine generische Definition der Prozesse darstellen, die implementiert werden soll. Sie sind besonders bei der Einführung von Standardsoftware, z. B. ERP-Systemen, von Bedeutung. Branchenbezogene Referenzprozesse sind im Allgemeinen Bestandteile solcher Systeme und dienen als Kon figurationsgrundlage für die Anpassung der in dem Sys tem vorgegebenen Geschäftsabläufe an die spezifischen Anforderungen des Unternehmens. Das garantiert die optimale Nutzung der Standardsoftware.
Referenzprozesse und QM-Systeme
Referenzprozesse unterstützen den Aufbau und die Pflege eines Qualitätsmanagementsystems dadurch, dass sie eine Messlatte für die Qualität der Geschäftsprozesse darstellen und die erforderliche Dokumentation vereinfachen und erleichtern. Die Rolle der Referenzprozesse für das Qualitätsmanagement wird im Weiteren erläutert.

1.3 Vorteile von Referenzprozessen

Die Benutzung von Referenzprozessen in den obigen Einsatzgebieten hat die folgenden generellen Vorteile, die letztlich Zeit- und Kostenersparnisse bewirken:
Risikoreduzierung und Qualitätsförderung
Die Nutzung von Referenzprozessen reduziert das Risiko einer Fehlgestaltung der Prozesse im Unternehmen und fördert die Qualität der aus ihnen abgeleiteten unternehmensspezifischen Abläufe. Bei Referenzprozessen handelt es sich um erprobte Konzepte, die in der Praxis mehrmals validiert wurden. So steht ein qualitatives Muster für neue Prozesse zur Verfügung. Das Managementsystem wird nicht auf der „grünen Wiese” erbaut, sondern es basiert auf einem soliden Fundament.
Benutzerakzeptanz
Da Referenzprozesse auf erprobten Konzepten basieren, sichern sie die Akzeptanz der Unternehmensmitarbeiter, die an der Implementierung der entsprechenden Prozesse beteiligt sind.
Effizienzverbesserung
Referenzprozesse erleichtern den Einstieg in das Geschäftsprozessmanagement und begünstigen das schnellere Erlernen von Modellierungsmethoden, da sie Vorlagen, Musterlösungen oder Modellierungsbeispiele darstellen.
Vereinheitlichung der betrieblichen Abläufe
Da Referenzprozesse als Muster dienen, wird eine Standardisierung von gleichartigen Prozessen, die in verschiedenen Betriebsgebieten implementiert werden, im Unternehmen erzielt. Referenzprozesse fördern zusätzlich die begriffliche Klarheit zwischen verschiedenen Akteuren im Unternehmen, da sie eine einheitliche Terminologie schaffen.

1.4 Nachteile von Referenzprozessen

Eigene Prozesse werden nicht hinterfragt
Es existieren auch potenzielle Nachteile bei der Nutzung von Referenzprozessen. Einerseits besteht die Gefahr, die eigene Prozessstruktur unzureichend zu hinterfragen, was durch ein geplantes und überlegtes Prozesserhebungsverfahren vermieden werden kann.
Verlust strategischer Wettbewerbsvorteile
Andererseits wird der Verlust von strategischen Wettbewerbsvorteilen oder Kernkompetenzen durch die Standardisierung von Prozessen gefürchtet. Das ist nur möglich, wenn Referenzprozesse in wertschöpfenden Gebieten von strategischer Bedeutung benutzt werden. In anderen Bereichen führt der Einsatz von Referenzprozessen zu weitgehenden Qualitätsverbesserungen und Kostenreduktionen und somit zur allgemeinen Stärkung der Wettbewerbsposition [2].

2 Referenzprozesse im Qualitätsmanagement

2.1 Aufgabe eines Qualitätsmanagementsystems

TQM als Ziel
Ein Qualitätsmanagementsystem ist grundsätzlich jedes strukturierte Vorgehen, das von einem Unternehmen gezielt angewendet wird, um die Qualität zu sichern. Dieses System muss dafür sorgen, dass Qualitätsmanagement ein kontinuierlicher Prozess ist, der alle Bereiche der Organisation und des Produktlebenszyklus umfasst und die aktive Teilnahme aller Unternehmensmitglieder und -partner fördert. Das lässt sich unter dem Begriff „Total Quality Management”, der von William Edwards Deming geprägt wurde, subsumieren.
QM-Dokumentation kein Selbstzweck!
Ein reifes Qualitätsmanagementsystem zeichnet sich durch die Erstellung und dauernde Pflege einer Dokumentation aus, die zur Wissensverteilung und zum Konformitätsbeweis dient. Dies ist auch die zentrale Anforderung an eine Zertifizierung. Dabei ist zu beachten, dass die Dokumentation kein Selbstzweck ist, sondern so zu gestalten ist, dass die Anforderungen jeweils in angemessener Weise erfüllt werden, um eine strukturierte und konsistente Übersicht der Unternehmenssprozesse, inkl. des Qualitätsmanagement, zu gewährleisten. Jedes Unternehmen muss eine optimale Lösung für seine Dokumentationsbedürfnisse finden, üblicherweise durch den Einsatz eines passenden EDV-Systems und eines Prozessmanagementwerkzeugs.

2.2 Qualitätsmanagement und Prozessmanagement

Um die Rolle der Referenzprozesse beim Qualitätsmanagement besser zu verstehen, muss der Zusammenhang zwischen Qualitäts- und Prozessmanagement erläutert werden. Die Norm ISO 9000:2005 hat acht Grundsätze des Qualitätsmanagements definiert [3]:

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