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06231 Konzeption qualitätsorientierter Fertigungsprozesse in KMU

Dieser Beitrag knüpft an Kap. 06230 in diesem Werk an und zeigt, wie mit einfachen Mitteln Fertigungsprozesse qualitätsorientiert konzipiert und spezifiziert werden können. Bei der Konzeption werden aufbauend auf der Identifikation prozessrelevanter Bauteilmerkmale alternative Fertigungsverfahren systematisiert, um geeignete Prozessszenarien zu erstellen und konzeptionell zu bewerten. Die beschriebene Vorgehensweise eignet sich insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen (KMU) mit Serienfertigung.
Arbeitshilfen:
von:

1 Einleitung

Wenn es um die Produkt- und Prozessplanung geht, wird in der Fachwelt seit geraumer Zeit ein verstärkter Einsatz komplexer Software-Systeme diskutiert. Bezogen auf die Fertigungsplanung gerät hierbei jedoch oft der eigentliche Kern in den Hintergrund – die Konzeption und Detaillierung der Fertigungsprozesse hinsichtlich der geforderten Produktmerkmale und Kundenwünsche. Aufbauend auf einem Referenzprozess zur qualitätsorientierten Fertigungsplanung für Zulieferer in der Serienfertigung [1], der sowohl die Qualitätsforderungen der Kunden erfüllt als auch die begrenzten Ressourcen vieler mittelständischer Zulieferer berücksichtigt, bietet die im Folgenden dargestellte Vorgehensweise zur Konzeption von Fertigungsprozessen eine Möglichkeit, mit einfachen Hilfsmitteln zu methodisch abgesicherten Ergebnissen zu gelangen und vor einer aufwendigen Detaillierung unterschiedliche Konzepte gegeneinander abzuwägen.

2 Herstellbarkeitsanalyse

Ziel
Die Prüfung der Herstellbarkeit bildet den ersten Schritt im Rahmen der Fertigungsplanung (vgl. Abb. 1). Sie wird initiiert durch die Anfrage eines Kunden zur Abgabe eines Angebots für die Lieferung eines Produkts. Ziel ist es, bereits vor dem Eingehen einer Lieferverpflichtung sicherzustellen, dass die eigene Organisation in der Lage ist, das angefragte Produkt herzustellen [2]. Hierzu werden Einzelanforderungen an das Produkt sowie mögliche Widersprüche zwischen Einzelanforderungen, fehlende Informationen sowie Terminvorgaben und notwendige Kapazitäten geprüft und dokumentiert.
Abb. 1: Herstellbarkeitsanalyse im Rahmen der Fertigungsplanung
Für Herstellbarkeitsanalysen haben sich in der Praxis Checklisten etabliert. Aus einer Untersuchung unterschiedlicher in der Praxis verwendeter Herstellbarkeitserklärungen wurden 13 Fragen erarbeitet, die sowohl die normseitig relevanten Bereiche abdecken als auch die häufigsten sonstigen Fragestellungen aufgreifen. Die beigefügte Arbeitshilfe liefert Ihnen das Formular zur Herstellbarkeitsanalyse.[ 06231_01.xlsx]
Zur Beantwortung dieser Fragen werden typischerweise folgende Informationen benötigt:
Bauteilzeichnungen
Kunden-Funktionslastenheft
Prozessanforderungen des Kunden
geforderte Stückzahlen
vorgegebene Termine
Darüber hinaus kann auf interne Kennwerte bestehender Fertigungsprozesse für ähnliche Produkte zurückgegriffen werden, bei denen beispielsweise bereits SPC-Analysen durchgeführt werden bzw. Ausschussstatistiken, Produktionslenkungs- oder Prüfpläne vorliegen. Zusätzlich können die Fertigungsplaner hinsichtlich ihrer Erfahrung bei der Planung ähnlicher Fertigungsprozesse befragt werden.
Hilfsmittel Herstellbarkeitserklärung
Im Kern geht es bei Herstellbarkeitsanalysen darum, zunächst zu beurteilen, ob die Herstellbarkeit des Produkts auf Basis der Datenlage überhaupt bewertet werden kann. Im Anschluss ist das Ziel, mögliche Risiken und Merkmale zu identifizieren, die dem Kunden bei der Spezifikation nicht bewusst waren, die jedoch einen Einfluss auf die Funktionserfüllung aus Lieferantensicht haben. Zuletzt geht es um die Abschätzung der erreichbaren Qualität und die hierfür notwendigen einzusetzenden Instrumente. Die Herstellbarkeitserklärung umfasst neben dem Fragenkatalog ein Beiblatt, auf dem die entsprechenden Begründungen und Erläuterungen zu dokumentieren sind. Dieses Vorgehen sichert eine qualifizierte Auseinandersetzung mit der Kundenanfrage.
Fallweise Iteration des Prozesses
Bei einem negativ ausfallenden Ergebnis der Herstellbarkeitsanalyse schafft das vorgestellte Vorgehen Ansatzpunkte, um die Herstellbarkeit des angefragten Bauteils zu verbessern bzw. dessen Herstellbarkeit überhaupt bewerten zu können. Hierfür werden die kundenrelevanten Ergebnisse auf dem Beiblatt mit dem Kunden diskutiert. Interne Problemstellungen oder technologische Hürden stoßen bereits frühzeitig eine Auseinandersetzung mit möglichen neuen Technologien zur Realisierung des Produkts an.

3 Prozesskonzeption

Ziel
Bei der Prozesskonzeption ist es zunächst das Ziel, alle prozessrelevanten Bauteilmerkmale zu erfassen, anschließend mögliche Fertigungsverfahren zu identifizieren und diese in Form von geeigneten Prozessszenarien grob zu bewerten – siehe Abbildung 2.
Umsetzungsrahmen QFD
Die Ableitung prozessrelevanter Bauteilmerkmale kann im Wesentlichen nach der QFD-Methode durchgeführt werden [3] [4]. Das QFD-Vorgehen umfasst grundsätzlich vier Phasen:
Produktdefinitionen („House of Quality”),
Komponentenplanung,
Prozessplanung und
Produktionsplanung.
Die ersten beiden Stufen haben ihren Schwerpunkt in der Produktentwicklung. Ihr Ergebnis sind Zeichnungen von allen benötigten Komponenten des Produkts.
Die letzten beiden Stufen werden für die Prozessentwicklung im Rahmen der Fertigungsplanung benötigt. Auf der dritten Stufe liegt der Schwerpunkt der hier vorgestellten Vorgehensweise. Bauteilzeichnungen und Stücklisten werden daher als gegebene Eingangsinformationen vorausgesetzt.
Abb. 2: Ableitung prozessrelevanter Bauteilmerkmale
Methodischer Ausbau des QFD
Das QFD bietet auf der dritten Stufe einen Rahmen zur Verbindung von Fertigungsprozessen und Komponenten, jedoch keine methodische Unterstützung zur Identifikation der geeigneten Fertigungsprozesse bzw. Fertigungsprozessfolgen, sogenannten Fertigungsprozessszenarien.
Auf der vierten Stufe des QFD werden den ausgewählten Prozessen Prozessparameter zugeordnet. Auch hier erfolgt keine methodische Unterstützung bei der Identifikation der Parameterwerte. Grundsätzlich strukturiert des QFD zwar Zusammenhänge in geeigneter Weise, hilft jedoch nicht bei der Erarbeitung der konkreten Inhalte.

3.1 Ableitung prozessrelevanter Bauteilmerkmale

Ziel
Aus der strukturellen Gegebenheit und der Funktionsweise des Produkts sowie den formulierten Kundenforderungen an das Produkt und den Prozess werden alle relevanten Bauteilund Prozessmerkmale abgeleitet – vgl. Abbildung 3. Konkret können in der Regel hierfür folgende Dokumente verwendet werden:
Bauteilzeichnungen
Entwicklungs-Strukturstückliste
Kunden-Funktionslastenheft
Prozessanforderungen des Kunden
Mit diesem ersten Schritt der Konzeption des Fertigungsprozesses wird nach der Planungsfreigabe begonnen.
Sollte für das Produkt des zu planenden Prozesses nur eine Mengenstückliste vorliegen, gilt es, diese zunächst in eine Strukturstückliste zu überführen. Die Strukturstückliste bietet den Vorteil, Baugruppen und Unterbaugruppen darstellen zu können. Um eine eindeutige Zuordnung der Bauteile und Baugruppen zu gewährleisten, werden Identifikationsnummern, Bezeichnungen und die jeweiligen Mengen zugeordnet. Auf Basis der Strukturstückliste können anschließend jedem Bauteil bzw. jeder Baugruppe die relevanten Merkmale direkt zugeordnet werden. Abbildung 3 zeigt den Aufbau der Struktur- und Merkmalsliste, die als Excel-Datei zur Verfügung steht.[ 06231_02.xlsx]
Abb. 3: Struktur- und Merkmalsliste
Mit der Merkmalsliste besteht die Möglichkeit, für jedes Bauteil und jede Baugruppe mehrere relevante Merkmale abzuleiten. Durch diesen Schritt soll sichergestellt werden, dass jedes einzelne relevante Merkmal von Bauteilen und Baugruppen, das aus den Zeichnungen hervorgeht, in den Fertigungs- und Montageschritten berücksichtigt wird.
Merkmale des Produkts können auch außerhalb von Zeichnungen dokumentiert werden. Beispielhaft können hier Funktionslastenhefte von Kunden oder mitgeltende Unterlagen bzgl. allgemeiner Anforderungen an die Prozessgestaltung genannt werden. Um auch diese Merkmale zu erfassen, kann das Formblatt „Stimme des Kunden” verwendet werden. Abbildung 4 zeigt den Aufbau des Formblatts, das auch als Excel-Datei zur Verfügung steht.[ 06231_03.xlsx]
Abb. 4: Formblatt „Stimme des Kunden”
Mit diesem Hilfsmittel werden die vom Kunden gelieferten Informationen über das Produkt für eine produktgerechte Fertigungsplanung in prozessrelevante Anforderungen überführt. Kundenforderungen, wie beispielsweise „mind. eine Betätigung vor Auslieferung”, werden konkreten Baustufen des Produkts über die laufende Nummer des Bauteils zugeordnet und bei Bedarf in technische Größen umformuliert (z. B. „einmaliges vollständiges Öffnen um 100° und anschließendes Schließen der fertig montierten Baugruppe vor der Endprüfung”). Unter Maßnahmen und Bemerkungen kann daraufhin jeder Prozessschritt vermerkt werden, der von dieser Forderung betroffen ist. Darüber hinaus können erste Ansätze für prozesstechnische Maßnahmen festgehalten werden, um die Kundenforderung zu erfüllen. Die Anzahl notwendiger Maßnahmen kann je nach Forderung variieren. Daher besteht in dieser Tabelle die Möglichkeit, mehrere Maßnahmen und Bemerkungen einzutragen.

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