12758 Unternehmen in der Qualitätskrise – Anforderungen an Führungsmannschaft und Qualitätsmanager, Teil 4
Teil 4: Die VW Abgaskrise – eine Zwischenbilanz (Beginn 03.09.2015 und Stand 03.08.2016) – Verbindung von schleichender und plötzlicher Krise
Der zentrale Ursachenbereich für die VW-Abgaskrise ist die diktatorische Unternehmenskultur bei VW. Sie hat verhindert, dass technisch schwierige Problemsituationen frühzeitig, alternativ und ausreichend im Hinblick auf mögliche Lösungskonzepte diskutiert und umgesetzt werden. Hierdurch ist ein Prozess des Täuschens und Betrügens entstanden. Durch die Aufdeckung der unzureichenden Abgasreduzierung ist das Unternehmen VW in seine bisher größte Krise geraten, die an den existenziellen Grundpfeilern rüttelt und erhebliche Change-Prozesse bereits bewirkt hat sowie in Zukunft noch weitere tiefgreifende Veränderungen nach sich ziehen wird. von: |
1 Entstehung, Einordnung und Bewertung der Krise
Besondere und dabei sehr spezielle Anforderungen an die Krisenbewältigung stellt die VW Abgaskrise an das Management und das gesamte Unternehmen. Der Grund liegt darin, dass es sich hierbei nicht um die typische Situation einer Qualitätskrise handelt, wenn bestimmte Anforderungen an das Produkt und seine Verwendungssituation nicht ausreichend erkannt und erfüllt wurden. Der Qualitätsmangel ist vielmehr dadurch entstanden, dass die Realisierung des Produktes bzw. eines Bauteils als IST den geforderten Standard als SOLL wissentlich und willentlich nicht erreichte.
Bei VW war die Situation so, dass die geforderten reduzierten Abgaswerte mit der vorhandenen Technologie und Software nicht erreicht werden konnten und somit in einer erheblichen Größenordnung verfehlt wurden. Diese nachteilige Ausgangslage war dann nicht ein Weckruf und der Startschuss für eine konzertierte Aktion und konzentrierte Strategie aller maßgeblichen, darin einzubeziehenden Entscheider und Abteilungen – von der Unternehmensspitze nach unten – zur Weiterentwicklung der dazu notwendigen Technologien, auch unter Inkaufnahme von beträchtlichen Investitionen unterschiedlicher Art.
Stattdessen wurden aufgrund der bei VW vorherrschenden Unternehmenskultur alle Anstrengungen daran gesetzt, über eine möglichst lange Zeit zu vertuschen, dass die gesetzten harten Zielvorgaben kurzfristig mit dem gegenwärtigen Wissen und Können sowie den freigegebenen Investitionsbudgets nicht zu erfüllen sind. Das Vertuschen der Problemlage und die Manipulation der Abgaswerte erfolgten letztlich auch aus der Furcht, dass das Nichterreichen der überzogenen Zielsetzungen negative Auswirkungen auf die eigene Reputation, Position und Karriere im Unternehmen haben kann.